Ütingen

Zwischen Mönsheim und Wimsheim (Enzkreis) liegt eine abgegangene Siedlung mit dem Namen Ütingen. Nur wenig ist über diese Wüstung bekannt, in historischen Quellen wird sie nur selten genannt und weder in Mönsheim noch in Wimsheim hat sich die Erinnerung an sie erhalten. Weder die Beschreibung des Oberamts Leonberg von 1852 noch die Geschichte des Dorfes Mönsheim von Gustav Hoffmann 1904 erwähnen den verschwundenen Ort, die Verfasser scheinen keine Kenntnis von ihm gehabt zu haben.

In der Neubearbeitung der Leonberger Oberamtsbeschreibung von 1930 wird zum ersten Mal auf den Ort hingewiesen: In einer Maulbronner Quelle aus dem Jahr 1375 wird eine Wiese zu Ütingen, an der Frühmesse zu Mönsheim Wiese auf Wimsheimer Gemarkung erwähnt (vgl. OAB Leonberg 1930, S. 1122). Dies bleibt auch der einzige direkte Beleg des Namens. Dass die Siedlung zu diesem Zeitpunkt noch existiert hat, ist unwahrscheinlich, da sie sonst nirgends in Quellen auftaucht und auch in diesem Beleg kein Hinweis auf einen bewohnten Ort gegeben ist. Offenbar war der Ortsname damals bereits auf die entsprechende Flur reduziert – ein überaus häufiger Vorgang.

In württembergischen Lagerbüchern des 16. Jahrhunderts taucht dann an mehreren Stellen ein Hinweis auf eine Kirche auf: 1565 ein Acker bei Eydenkirchen stoßt unten auf die Obermönsheimer Mark und bei Eydenkirchen zwischen dem Berntalweg und X., 1598 bei der Edenkirch (vgl. OAB Leonberg 1930, S. 407 und Ehmann 1980, S. 180). Mit großer Wahrscheinlichkeit besteht hier ein Zusammenhang mit der Wüstung Ütingen. Die Quellen geben ebenfalls eine Lage an der Gemarkungsgrenze von Wimsheim und (Ober-)Mönsheim an, wie auch bei dem Beleg von 1375 zu vermuten ist. Obermönsheim war bis 1935 eine selbständige Gemeinde mit eigener Gemarkung, die Mönsheimer und Wimsheimer Gemarkungen berührten sich vorher nicht. Der Name Eydenkirchen steht möglicherweise in Zusammenhang mit dem Ortsnamen Ütingen, der wohl Itingen ausgesprochen wurde. Langes i wurde seinerzeit häufig hyperkorrekt als ü geschrieben. Die Entwicklung vom mittelhochdeutschen Langvokal ī zum Diphtong ei ist regulär, wie etwa von mittelhochdeutsch isen zu Eisen. Die Variante Edenkirchen von 1598 dürfte eine Kontamination durch das Adjektiv öde darstellen, da es sich offenbar um eine verlassene Kirche gehandelt hat, also sinngemäß bei der öden Kirche. Doch auch hier ist nicht zu bestimmen, ob die Kirche im 16. Jahrhundert noch existiert hat, oder ob lediglich der Name noch tradiert wurde. In späteren Quellen taucht der Name nicht mehr auf, was darauf schließen lässt, dass auch die Erinnerung an die abgegangene Ortschaft immer mehr verblasste.

Die dürftigen Belege machen die Lokalisierung der Siedlung schwierig, doch gibt es durchaus einige Anhaltspunkte. Sie muss sich auf Wimsheimer Gemarkung, in direkter Nähe zur Grenze von Obermönsheim befunden haben. Die 1565 erwähnte Lage am Berntalweg engt den in Frage kommenden Bereich weiter ein: Über die Gemarkungsgrenze Wimsheim – Obermönsheim hinweg erstreckt sich eine Flur namens Berndel (verschliffen aus Berntal, siehe Karte, in heutigen amtlichen Karten Bärental geschrieben), der entsprechende Weg muss sich in deren Nähe befunden haben. Da die Siedlung an einem Wasserlauf anzunehmen ist, könnte sie sich etwa dort befunden haben, wo die Gemarkungsgrenze den Grenzbach schneidet, also unweit des heutigen Lerchenhofs am gegenüber liegenden Hang.

Der Lerchenhof wurde erst im 18. Jahrhundert von Mönsheim aus gegründet. Seine Bewohner waren jedoch, wie auch die von Obermönsheim, in Wimsheim eingepfarrt. Auf diese Hofsiedlung, heute ein Reiterhof, geht auch der Flurname Kirchhöfle zurück. Die so bezeichnete Flur erinnert an den ehemals eigenständigen Begräbnisplatz des Lerchenhofs (vgl. OAB Leonberg 1852, S. 272), sie liegt eine hundert Meter nördöstlich der Wohn- und Wirtschaftsgebäude und hat demnach keine Beziehung zu Ütingen.

Nicht auszuschließen, wenn auch weniger wahrscheinlich, ist dagegen die Lage am ehemaligen Isenbach, dem Vorläufer des Gurrlesbachs. Dieser ist heute auf seinem Oberlauf versiegt, er entsprang auf Wurmberger Gemarkung und floss in den Paulinensee. Er führt heute nur noch nach lang anhaltendem Niederschlag oder bei der Schneeschmelze Wasser. Die Lage an der Grenze Wimsheim – Obermönsheim ist hier ebenfalls gegeben, allerdings ist die Flur Berndel von hier einen guten Kilometer entfernt. Falls sich Ütingen hier befunden haben sollte, dürfte es in der Nähe des heutigen Rückhaltebeckens am Radweg vom Paulinensee in Richtung Hagenschieß zu suchen sein. In diese Richtung tendiert die von Seeger in der seiner Mönsheimer Chronik zitierte, unveröffentlichte Wimsheimer Chronik: in der Nähe der Sekundeäcker oder dem Lippenwäldle (Seeger 1984, S. 321) – beide Fluren liegen in der Nähe des Bachlaufs am nördlichen Abhang des Erhardsbergs.

Flurkarte NW XXXIII 14, Statistisch Topografisches Bureau des Königreichs Württemberg 1831. Archiv des Landesamts für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg.

Auf dem Kartenausschnitt von 1831 ist der Bereich um den Lerchenhof und die Flur Berndel zu sehen. Heute verläuft nördlich des Grenzbachs die 1935 gebaute Kreisstraße 4568 Wimsheim – Mönsheim. Seine Lage hat sich dadurch etwas verändert. Am linken Bildrand im Bereich des Grenzbachs könnte sich Ütingen befunden haben. Über die Gestalt der Siedlung oder Gründe für ihren Niedergang kann nur spekuliert werden. Anzunehmen ist jedoch, dass es sich um eine alte Gründung haldelte, da die Endung -ingen, ebenso wie -heim, ein hohes Alter belegt, man nimmt an, dass Orte mit diesem Suffix im Frühmittelalter, etwa bis zum 9. Jahrhundert entstanden sind. Dass die – angenommene – Lage für eine Siedlung nicht ungünstig war, belegt die Errichtung des Lerchenhofs in nur geringer Entfernung im 17. Jahrhundert. Ütingen muss lange Zeit mit den unmittelbar benachbarten Orten Wimsheim und Obermönsheim koexistiert haben. Auf den Internetseiten des Enzkreises wird die Vermutung geäußert, Ütingen sei eine Vorgängersiedlung Obermönsheims gewesen, allerdings ohne dass dafür eine Begründung angegeben wird. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass die Siedlung durch Wegzug der Bewohner in die Nachbarorte verödete. Oftmals spielte bei solchen Prozessen auch politische Einflussnahme eine Rolle. Die Kirche, wohl aus Stein gebaut, scheint die Wohn- und Wirtschaftsgebäude noch einige Zeit überlebt zu haben, doch auch ihre Spur verliert sich im 16. Jahrhundert. Lediglich einigen Lagerbucheinträgen ist zu verdanken, dass die Existenz Ütingens heute überhaupt bekannt ist.

Literatur:

Ehmann, Karl: Abgegangene Siedlungen im Raum Pforzheim. In: Pforzheimer Geschichtsblätter 5. Pforzheim 1980. S. 153–158.

Enzkreis: Mönsheim. 2010.

Hoffmann, Gustav: Geschichte des Dorfes Mönsheim. Welzheim 1904.

OAB Leonberg 1852: Beschreibung des Oberamts Leonberg. Herausgegeben von dem Königlichen statistisch-topographischen Bureau. Mit drei Tabellen und einer Karte des Oberamts, nebst Titelbild und vier Holzschnitten. Stuttgart 1852.

OAB Leonberg 1930: Beschreibung des Oberamts Leonberg. Herausgegeben vom Württembergischen Statistischen Landesamt. Zweite Bearbeitung. Mit zahlreichen Abbildungen, einer archöologichen Karte und einem Stadtplan von Leonberg. Zwei Bände. Stuttgart 1930.

Seeger, Karl: Chronik der Gemeinde Mönsheim. Mönsheim 1984.

Wikipedia: -ing. 2010.

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