Die Stadt Oberndorf am Neckar (Landkreis Rottweil) ist bekannt für Fasnet und Waffenindustrie, letztere repräsentiert durch Heckler & Koch und die ehemaligen Mauserwerke, heute Rheinmetall Defence. In einem lesenswerten Artikel erstellten Anna Hunger und Frieder Bickhardt im vergangenen Jahr ein Sittenbild der Stadt in der Kontext:Wochenzeitung.
Auch der Ufoport widmet Oberndorf einen kleinen Bildbericht, bei dem jedoch weniger die Problematik um die Waffenschmieden im Zentrum stehen soll. Hier geht es um die verschlafen-romantische Aura, die solchen Kleinstädten außerhalb großer Ballungszentren anhaftet, denn die ist hier am oberen Neckar besonders gut zu vernehmen. Man könnte fast meinen, hier sei die Zeit ein wenig stehen geblieben.
Die erste urkundliche Erwähnung Oberndorfs datiert auf das Jahr 782, zur Stadt wurde es jedoch erst im Spätmittelalter, gegen Mitte des 13. Jahrhunderts. In dieser Zeit entstand auch das Oberndorfer Frauenkloster, welches seit 1264 zum Augustiner-Eremitinnenorden gehörte. Die heute erhaltenen Klosteranlagen stammen aus den Jahren 1772 bis 1779. Die Stadt befand sich lange Zeit in österreichischer Hand und kam 1805 mit der gesamten Grafschaft Hohenberg an das protestantische Württemberg. 1810 wurde Oberndorf Oberamtsstadt, das Kloster wurde aufgehoben und in dessen Räumlichkeiten die Königlich Württembergische Gewehrfabrik eingerichtet – der Grundstein für die Entwicklung der Waffenindusrie. Heute befindet sich in dem Komplex das Rathaus.
Hier, am Parkplatz unterhalb der Brücke über die Bahnlinie, beginnt der Rundgang durch die bunte und architektonisch vielseitige Stadt.
Direkt vor dem Klostergebäude treffen mehrere Hauptstraßen aufeinander, so dass hier dichter Verkehr herrscht, an dessen Ostseite verlaufen die Bundesstraße 14 und die Gäubahn Stuttgart – Singen.
Im lachsfarbenen Gebäude zwischen Straßenbrücke und Parkplatz residiert das China-Restaurant Dynastie, in der Häuserzeile gegenüber das Zülle-Stüble, ein Dart-Lokal mit zahlreichen Pokalen im Schaufenster.
Rechts und links davon hängt je ein Kaugummiautomat. Bei dem rechten handelt es sich um ein etwas mitgenommenes einkammeriges Exemplar.
Am zweikammerigen Automaten auf der linken Seite gibt es Funny Monkeys.
Folgt man von hier der Talstraße bergauf bis zur Einmündung der Sulzbachstraße, so passiert man zunächst einen Hund im Schaufenster eines Frisörgeschäfts und trifft einige Schritte weiter auf einen weiten Platz mit mehreren Geschäften und einem Kino:
Die große Parkfläche vor dem Kino und die chaotische Verkehrsführung erinnern unweigerlich an die 80er Jahre, als Fußgängerzonen außerhalb von Großstädten noch eine Seltenheit waren. Die Fahrzeuge auf den Fotos zeugen dagegen eindeutig von der Gegenwart.
Selbiges gilt für die Filme, welche im KKK-Filmtheater laufen. Das Kino an sich allerdings scheint ebenfalls aus einer anderen Zeit zu stammen.
Etwas weiter hinten an der Sulzbachstraße zweigt der Lange Weg ab, der an einem zum Verkauf stehenden, ritterlich anmutenden Haus vorbei hinauf in die Oberstadt führt. Oben gelangt man über die Graubenstraße auf die Hauptstraße, eine Fußgängerzone mit weiteren Ladengeschäften.
Hier trifft man auf diesen alten Zigarettenautomaten mit Schubladen. Besondere Beachtung verdienen neben dem Automaten auch die charmanten braunen Fliesen an der Wand.
Am Ende der Hauptstraße wirbt die Pension Dölker mit diesem liebevoll gestalteten Infokasten um Gäste.
Bald darauf mündet die Hauptstraße in den Obertorplatz, an dem sich s’House befindet. Von hier aus werden einige Internetangebote gesteuert, darunter ein Imageboard namens FuFumania.
Dieses herrliche Bild ist im Schaufenster eines Fotostudios am Schuhmarktplatz ausgestellt.
Ebenfalls am Schuhmarktplatz hat sich dieser Schriftzug im 90er-Style erhalten.
Noch mehr 90er gibt es in der Kronenstraße in Form eines Ladenschilds: Der Computer L@den. Im Gegensatz zum Schild sieht dessen Internetauftritt recht zeitgenössisch aus.
Im Schaufenster dieses Haushaltswarengeschäfts in der Kirchtorstraße verstecken sich Narren.
An der Ecke zur Wettestraße befindet sich das schlicht-schöne Verlagsgebäude des Schwarzwälder Boten, der hier seinen Hauptsitz hat.
Folgt man der bergab führenden Rosenbergstraße um das Gymnasium herum, so trifft man auf die stattliche Anlage der Oberndorfer Privatbrauerei Graf Eder GmbH & Co. KG, welche leider seit 2004 außer Betrieb ist und für 600.000 € zum Verkauf steht. Ob das imposante Gebäude erhalten werden kann, ist fraglich. Wahrscheinlicher ist wohl, dass hier in einigen Jahren ein Einkaufszentrum steht.
Auch die Brauereigaststätte ist geschlossen, doch scheint zumindest 2010 noch jemand den Schlüssel für die Speisekartenkästen gehabt zu haben. Auch hier: Narren.
Nach einigen Metern gelangt man wieder an der Kreuzung vor der Klosteranlage an, wo der Rundgang endet. Erwähnt seien noch zwei Sehenswürdigkeiten außerhalb der Innenstadt:
Diese beiden Automaten befinden sich jenseits des Neckars, auf der Terrasse des Café Melber an der Hölderlinstraße.
Diese Tankstelle im Stil der 50er Jahre ist dagegen oberhalb der Stadt in der Lindenstraße anzutreffen.
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Die Aufnahmen entstanden am 21. Januar 2012.
Literatur:
Brauereien im Südwesten Deutschlands: Oberndorfer Bier. 2012.
Kontext:Wochenzeitung: Ab vom Schuss. 2011.
Wikipedia: Königlich Württembergische Gewehrfabrik. 2012.
Wikipedia: Oberndorf am Neckar. 2012.
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